Oft nur ein Katzensprung - nachhaltiger Reisen geht:
Infoabend | Dienstag, 10. September 2019
Schon mit dem Einstieg zum Vortrag über nachhaltigen Tourismus wurde jedem Besucher klar, dass dieser Abend nicht mit dem erhobenen Zeigefinger gegen das Fliegen und Unterwegssein gestaltet würde. Karsten Palme, einer der Gründer und geschäftsführenden Gesellschafter der COMPASS GmbH aus Köln, zeigte ein Bild seiner damals fünfjährigen Tochter vor einer Tempelanlage in Asien, aufgenommen im Rahmen einer dreimonatigen Weltreise, die er zusammen mit Frau und Kind unternommen hatte. Und natürlich nutzten sie dabei auch das eine oder andere Flugzeug. Die Botschaft, die Palme an diesem Abend vermittelte, lautete: Reisen ist sehr wichtig für unsere Bildung und es sollte keine Option sein, nicht mehr zu reisen – nur nachhaltiger sollten wir es tun.
Nachhaltiger Tourismus – was ist das?
Als Einstieg vermittelte Palme zunächst das Grundprinzip der Nachhaltigkeit mit Bezug auf die Tourismusbranche anhand dreier gleichwertiger Dimensionen:
- Ökologie: Wie wird die Natur durch den Tourismus beeinflusst (positiv wie negativ) und wo liegen ihre Belastungsgrenzen?
- Ökonomie: Ein zentraler Faktor ist die Wertschöpfung des wirtschaftlichen Handels – welche Effekte haben unterschiedliche Tourismusformen z.B. auf lokale Devisenmärkte, das Einkommen der lokalen Bevölkerung und die Rendite von Veranstaltern, Hotels und anderen wirtschaftlichen Akteuren?
- Gesellschaft: Welche Effekte hat unser Reiseverhalten in den Urlaubsländern z.B. auf die Siedlungs- und Stadtentwicklung und auf die lokale Kultur und den Wohlstand der Menschen am Zielort?
Nachhaltiger Tourismus hat das Ziel, den schädlichen Einfluss von Reiseaktivitäten auf allen diesen Ebenen zu minimieren und bestenfalls in einen positiven Einfluss für alle Beteiligten zu verwandeln. Schlussendlich nütze es Niemandem, wenn in den bereisten Gebieten wertvolle Devisen ausbleiben, die Menschen vor Ort keine Arbeit mehr haben und der Naturschutz unter dann anderen, schädlicheren Landnutzungsformen leidet.
Ein klares Plädoyer für das Reisen – aber wie richtig machen?
Palme zeigte anhand einfacher Zahlenbeispiele, dass die positive Entwicklung vor allem von den individuellen Entscheidungen jedes einzelnen Touristen abhängt. Denn die wichtigsten Einflussfaktoren seien die An- und Abreise sowie die gewählte Unterkunftsform. Ersteres verursache rund 75% der CO2-Emissionen einer Urlaubsreise – wenn es klassisch mit dem Flugzeug in den Urlaub geht. Durch die Wahl eines anderen Verkehrsmittels, z.B. der Bahn oder einem Reisebus, lassen sich die Emissionen bekanntlich drastisch reduzieren.
Eine weitere, überraschendere Erkenntnis betraf die Wahl der Reiseform und Unterkunft: Sicherlich schrecken Bettenburgen und Pauschalanlagen manchen Individualtouristen ab – in Sachen Nachhaltigkeit sind viele große Hotelketten jedoch schon deutlich weiter. Im Rahmen des Massentourismus haben Verbesserungen wie beispielsweise die Reduktion von Lebensmittel- und Wasserverschwendung oder der Einsatz von umweltfreundlichen Reinigungsmitteln hier einen deutlich stärkeren Effekt, während gerade in unterentwickelten Gebieten mit vielen Rucksackreisenden die wilde Landnutzung und Naturzerstörung sowie schädlicher Einfluss auf die lokale Bevölkerung ein ernstes Problem werden könne. Zwar sichere der Individualtourismus einer größeren Zahl von Menschen ein Auskommen, gerade im Niedriglohnsektor. Aber eine effektive nachhaltige Entwicklung bedeute hier auch wesentlich mehr Aufwand, weil mehr Anspruchsgruppen und Individualakteure aufgeklärt und von nachhaltigerem Verhalten überzeugt werden müssten.
Anhand von Beispielen, die die COMPASS GmbH bereits weltweit initiiert und umgesetzt hat, zeigte Karsten Palme, dass Veränderungen auf allen Ebenen und in allen drei von ihm angesprochenen Bereichen möglich sind und Wertschöpfung für alle Beteiligten bringen.
Genau hinsehen bei der Buchung ist gefragt
Als Touristen sollten wir zunächst die eigenen Präferenzen zu klären und dann bei der Planung und Buchung ganz genau hinzusehen.
Mittlerweile, so Karsten Palme, reagierten Reiseanbieter zunehmend auf die (auch infolge der allgegenwärtigen Klimadebatte) steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Reiseangeboten und böten entsprechende Pauschal-, aber auch Individualreisebausteine an. Vertrauen könne man auf Labels und Zertifizierungen insbesondere nach den GSTC-Kriterien (Globale Kriterien für Nachhaltigen Tourismus), von denen er einige vorstellte, genauso wie einige auf nachhaltige Angebote spezialisierte Anbieter (siehe unten) und die gängigen Kompensationsmöglichkeiten. Beispielsweise über das Portal Atmosfair.de kann man den CO2-Ausstoß seine Flugreise durch eine Spende für ausgesuchte Klimaschutzprojekte kompensieren.
Neben der Beratung von Tourismus-Veranstaltern bietet die COMPASS GmbH als Schwerpunkt auch ein spezialisiertes Destinationsmanagement an. Als anschauliches Beispiel stellte Palme das Portal Katzensprung-Deutschland.de vor, welches von seinem Unternehmen mit Förderung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit mitbegründet wurde. Es bietet regionalen Anbietern touristischer Regionen in Deutschland eine zielgerichtete und einfache Vernetzungsmöglichkeit zur Vermarktung ihrer lokalen Angebote wie Unterkünfte, Verkehrsbetriebe, Touren- und Umweltbildungsangebote, Gastronomie und Produzenten von lokalen Lebensmitteln. Dabei geht es neben auch darum, die inländischen Naturschätze und Erlebniswelten wieder attraktiver zu machen. Denn sicherlich ist „Urlaub nicht weit von der eigenen Haustüre“ eine der nachhaltigsten Urlaubsvarianten.
Im Anschluss an den Vortrag entspann sich eine angeregte Diskussion zwischen Karsten Palme und den zahlreichen Gästen. Es zeigt sich: Die Reisevorlieben jedes Einzelnen sind sehr unterschiedlich, allen gemeinsam ist aber der Wille, das eigene Erlebnis mit einem positiven Effekt für Umwelt und Gesellschaft zu verbinden. In diesem Sinne dankte Corinna Jonitz von Fischbachtal-kreativ Herrn Palme für seine interessanten und anschaulichen Ausführungen, die den Besuchern neue Möglichkeiten einer verantwortungsvollen Urlaubsplanung und Urlaubsgestaltung aufgezeigt hätten.
Hilfreiche Adressen bei der Urlaubsplanung
Hilfe können Interessierte dabei in vielfältiger Weise im Internet erfahren. Palme nannte mehrere Internetadressen von zertifizierten Labels, die nachhaltige Reisen anbieten und die GSTC-Kriterien (Globale Kriterien für Nachhaltigen Tourismus) erfüllen :
- katzensprung-deutschland.de - regionale Urlaubsangebote in ganz Deutschland
- forumandersreisen.de – Angebote von nachhaltigen Reisen für Reisende
- bookdifferent.com – Unterkünfte weltweit suchen - und nach ökologischem Fußabdruck sortieren
- fairunterwegs.org – berät Reisende und Reiseanbieter zu fairem Verhalten weltweit
- umweltgedanken.de – Blog über Umwelt und Nachhaltigkeit, u.a.Reisen, mit entsprechenden Angeboten
- naturtrip.org – Naturerlebnis mit Bus und Bahn erreichen
- Travelife.org – zertifiziert Hotels und Reiseveranstalter weltweit
- Green-Destinations.org – gemeinnützige Stiftung zeichnet nachhaltige Tourismus-Ziele aus
Mehr Informationen
- Über die COMPASS GmbH: www.compass-cbs.de/schwerpunkte
- Im Magazin "Anderswo" schreiben die Redakteur:innen nicht nur über nachhaltigen Tourismus, sie leben ihn auch: beim Reisen mit Bahn und Fähre zu ihren Lieblingszielen in Europa, beim Wandern und Radfahren im In- und Ausland und beim Sammeln und Zusammentragen von immer neuen Reisetipps und -ideen, die sie gerne mit Freunden und Kollegen teilen: www.wirsindanderswo.de
- Nachhaltig reisen - die 10 besten Öko-Reiseportale: utopia.de/ratgeber/nachhaltig-reisen-oeko-reiseportale/
- Wir handeln gerne umweltbewusst und fühlen uns gut damit. Aber eins ignorieren wir dabei häufig: Unser Reiseverhalten. Über das soziologische Phänomen „kognitive Dissonanz“: mondo-magazin.de/machen-wir-uns-nichts-vor-wer-regelmaessig-fliegt-macht-nichts-besser/
- Mit dem Nachtzug bequem quer durch Europa: www.nightjet.com/reiseziele.html
- Individuelle Beratung zum Bahnfahren oder fertige (Bahn-)Reisen - weltweit: https://www.gleisnost.de/
Hier ist unsere Einladung:
Nachhaltig Reisen: warum, wie und womit?
Infoabend | Dienstag, 10.09.2019 um 19:00 Uhr | Gasthaus Brunnenwirt
Urlaubsreisen, Geschäftsreisen, Besuche bei der fernen Verwandtschaft. Wir sind viel unterwegs. Wie bei vielen Dingen können wir auch bei der Wahl der Verkehrsmittel entscheiden. Aber das ist oft nicht einfach: Geht es mir nur um meine persönlichen Kosten? Oder um die schnellste Verbindung? Den geringsten Planungsaufwand? Oder ist mir eine ökologisch verträgliche Fortbewegung besonders wichtig?
Sicher möchten viele von uns einen optimalen Mix aus diesen Kriterien erreichen, aber es gibt viel mehr offene Fragen als fertige Antworten: Muss man sich inzwischen eigentlich schämen für’s Fliegen? Und wie verhält es sich mit den Kreuzfahrten? Wie können Familien nachhaltiger reisen, ohne ihr Budget zu sprengen? Und wäre die Anreise mit der Fähre nach Mallorca nicht sogar eine willkommene Abwechslung mit Spaßfaktor?
Die vielen Fragezeichen zeigen: Es gibt viel mehr Fragen als fertige Antworten. Gemeinsam mit unserem Referenten und Tourismus-Experten Karsten Palme wollen wir solchen Fragen nachgehen und nach Lösungen suchen, die manchmal auch ungewöhnliche Wege bedeuten können.
Ihr seid herzlich eingeladen, eure Fragen und Ansichten mitzubringen und mitzuteilen.
Unser Referent ist Karsten Palme
Er ist Wirtschaftsgeograf und seit der Gründung 2005 geschäftsführender Gesellschafter der COMPASS GmbH in Köln.
Die COMPASS GmbH ist ein inhabergeführtes Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt Tourismus. Karsten Palme und seine 10 Mitarbeiter:innen setzen sich für eine integrierte Tourismus- und Destinationsentwicklung ein, die sich am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientiert. Ganzheitlichkeit, Transparenz und Ehrlichkeit bilden dabei die Eckpfeiler ihres Selbstverständnisses. Ganz praktisch beraten die Leute von COMPASS sowohl Destinationen als auch touristische Akteure zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit und helfen u.a. bei der Erstellung von Nachhaltigkeitskonzepten, der entsprechenden Kommunikation nachhaltiger Angebote, der Produktentwicklung und der Vernetzung von Leistungsträgern.
Wo ist das Gasthaus Brunnenwirt?
Gleich in der Nähe des Gasthauses ist die Bushaltestelle "Fischbachtal-Niedernhausen Schnurrgasse".
Hier geht es zur Fahrplanauskunft des RMV.