Über Betongold, Graue Energie und die Notwendigkeit einer Bauwende
Vortrag und Diskussion zum nachhaltigen Bauen und Renovieren am Mittwoch, den 6. Juli 2022
Der Saal war voll an diesem Abend. So konnte Stephan Kühn als Vorsitzender unseres Vereins rund 60 Gäste begrüßen. Er dankte seinen beiden Kollegen, Laurenz Pries und Werner Bert, die dieses gesamte Thema federführend vorbereitet haben und durch den Abend führen.
Die kurze Abfrage, die Laurenz Pries zur Einführung durchführte, zeigte, dass fast alle Gäste aus der näheren Umgebung kamen, und dass mehr als die Hälfte der Besucher Bauerfahrungen hatte, bis hin zu beruflichen Aktivitäten in diesem Bereich.
Danach stellte er die Referentinnen und Referenten vor: Eva Streng, mit Masterabschluss Architektur, Nora Schwarz und Daniel Müller, beide noch im Studium, alle drei jung und engagiert in der Darmstädter Gruppe von „architects for future“.
In ihrer Präsentation gingen die Drei zunächst auf die Bewegung „architects4future“ ein, die sich, angelehnt an die übergeordnete Bewegung von „Fridays for Future“, Aufklärungsarbeit und öffentliche Aktionen zum Thema Klimaschutz und Erderwärmung auf die Fahnen geschrieben hat. „Über das Klima reden“ sei ihre zentrale Aufgabe und dies mit Blick auf den Bausektor.
„Wie kann man zukunftsfähig (weiter)bauen? Wie wird bereits gebaut? Was können wir tun?“
Beeindruckend die Folien, die Daniel Müller zum derzeitigen Zustand der Klimaentwicklung zeigte. Nach dem MCC Berlin, einem unabhängigen, wissenschaftlichen Thinktank, bleiben uns auf der Erde nur noch gut 7 Jahre für Aktivitäten, um das vereinbarte 1,5°-Ziel für die Erderwärmung zu erreichen.
Eine UM-Bauordnung muss her
Zentrale Aufgabe im Bausektor sei es, so die ReferentInnen, vom bisherigen „linearen Wirtschaften“ zur „Kreislaufwirtschaft“ zu kommen. Das bedeutet ganz besonders, dass der Abbau von Gebäuden nicht als Abfall, sondern als Ressource für Neubauten gesehen wird. Ganz wichtig sei dabei die Art des Bauens. “Wo früher genagelt und geschraubt wurde, wird heute geklebt“, so Eva Streng. Das hat die Folge, dass die verklebten Materialien nicht getrennt und aols nicht wiederverwendet werden können. Auch sei es wichtig, die eingesetzte Energie und den CO2-Verbrauch in der gesamten Kette zu sehen und einzubeziehen: von der Produktion der Stoffe, über den Transport, den Einbau, die Nutzung, bis hin zum Abbau. Besonders wichtig sei auch die Verwendung von ökologischen Baustoffen wie z.B. Lehm, Stroh, Holz oder Hanf.
Beeindruckend auch hierzu die Zahlen: Der Bausektor ist mit 40 % an den CO2-Emissionen, zu 35 % am Energieverbrauch, zu 90 % am Verbrauch von mineralischen Rohstoffen und zu 60 % am Müllaufkommen beteiligt. Der Bausektor sei „der Klima- und Ressourcenhebel“ für nachhaltige Veränderungen, so die ReferentInnen.
Dass es Beispiele für eine im Sinne der Bewältigung der Klimakrise positive Entwicklung gibt, dies machte Nora Schwarz im letzten Teil der Präsentation deutlich. Anhand von Bildern von verwirklichten Renovierungen und Neubauten zeigte sie zum einen Möglichkeiten nachhaltiger Renovierung auf, zum anderen sprach sie aber auch die Hindernisse an, hier vor allem auf dem Genehmigungsbereich . Eine “UM-Bauordnung“ zusätzlich zu den bestehenden Bauordnungen sei sicher hilfreich, um bestehende Baukultur auch in der Zukunft zu erhalten.
Eindringlich appellierten die drei zum Ende ihres Vortrages noch einmal an alle, an unsere Gesellschaft insgesamt:
„Ohne Bauwende:
keine Ressourcenwende,
keine Energiewende und
keine Klimawende!“
Diesem Ziel haben sich die Aktiven von „architects for future“ verschreiben, dafür gehen sie an die Öffentlichkeit, dafür kämpfen sie, weil es als Angehörige der jungen Generation ihre Zukunft sei.
Die anschließende Diskussion, moderiert von Werner Bert, machte deutlich, wieviel Sachverstand an diesem Abend beim Publikum vorhanden war und wie komplex das Problem ist. Trotz guten Willens, vorhandenem ökologischen Baumaterial und sich der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlender Architekten und Bauwilligen – der finanzielle Aspekt eines Bauvorhabens muss immer mit bedacht werden. Dies zeigt einmal mehr, dass auch die versteckten Kosten (für Umwelt und Gesellschaft) stets deutlich gemacht werden müssen.
Mit einem kleinen Geschenk und viel Applaus wurden Eva, Nora und Daniel verabschiedet.
Mehr Informationen
Hier sind ein paar Verweise, die im Vortrag der a4f genannt wurden:
- Die Sieben Grundforderungen der "architects4future" an die Aktiven der Baubranche: www.architects4future.de/statement
- Beim Bauteilkreisel kann man gebrauchte Bau-Materialien kaufen oder verkaufen oder verschenken: bauteilkreisel-dadi.net
Und wenn ihr da nichts findet, könnt ihr hier weiter suchen: restado.de
- "Mit Freude sanieren - Ein Handbuch zur Umbaukultur" könnt ihr hier kostenlos als pdf herunterladen oder als Broschüre bestellen www.bundesstiftung-baukultur.de/publikationen/mit-freude-sanieren
- Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.: Über Veranstaltungen, Publikationen und vielfältige weitere Aktivitäten wie den Deutscher Nachhaltigkeitspreis Architektur macht der Verein das wichtige Zukunftsthema mit all seinen Facetten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich und fördert damit das Bewusstsein über die Notwendigkeit und die Chancen einer nachhaltigen Bauweise.
- Erwähnt wurde das "Eisbärhaus" in Kirchheim unter Teck. Hier ist ein Bericht über die Entstehung und warum es als nachhaltigstes Haus der Welt gilt: blog.dgnb.de/29-jahre-vorher-am-ziel
- Ubakus.de ist eine Webseite, die bei der Planung Ihrer Wärmedämmung unterstützen will: Geben Sie alle Schichten Ihres Bauteils in den U-Wert-Rechner ein und Sie erhalten Auskunft über die Höhe des Wärmeverlusts, evtl. zu erwartende Feuchtigkeitsprobleme, die Ökobilanz und vieles mehr. Daneben bietet Ihnen diese Webseite umfangreiche Informationen zu Dämmstoffen und Dämmmaßnahmen, zur Bauphysik und vor allem zum Thema Feuchtigkeit.
- ÖKOBAUDAT ist eine vereinheitlichte Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken. Im Zentrum der Plattform steht die Online-Datenbank mit Ökobilanz-Datensätzen zu Baumaterialien, Bau-, Transport-, Energie- und Entsorgungsprozessen. www.oekobaudat.de
- Nachhaltiges Wohnen in Gemeinschaft: GEN (Global Ecovillage Network) ist ein beständig wachsendes Netzwerk internationaler Gemeinschaften und Ökodörfer, das Brücken baut zwischen allen Kulturen und Kontinenten.
- "Mit Altbauten zu mehr Klimaschutz" - Die Baubranche boomt. Für das Klima ist das keine gute Nachricht, denn der Energieverbrauch ist enorm. Vor allem, wenn Gebäude abgerissen und neue errichtet werden. Experten fordern nun ein Eingreifen der Politik. Eine Sendung im Deutschladfunk zum Nachhören: www.deutschlandfunkkultur.de/abriss-moratorium-stumm-100.html
- Aus der Dlf Audiothek: "Gebäude und Hitze – Wie wir unsere Orte fit für den Klimawandel machen" https://srv.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.3265.de.html?mdm:audio_id=dira_DLF_614ca36f
Hier ist unsere Einladung:
Nachhaltiges Bauen und Renovieren
Vortrag und Diskussion am Mittwoch, den 6. Juli 2022, um 19.30 Uhr im Gasthaus „Brunnenwirt“
Wohnungsknappheit auf der einen Seite und ein riesiger Bauboom auf der andererseits rücken die Baubranche immer stärker in das Zentrum der politischen Diskussionen rund um die Klimakrise und die Entwicklung der Städte und Gemeinden.
Gerade im ländlichen Raum stehen zunehmend mehr alte Gebäude - insbesondere ehemalige Bauernhöfe - leer, die Ortsmitten veröden und der Verbrauch der Agrarflächen durch Neubaugebiete am Ortsrand nimmt zu.
Aber auch die Art und Weise des Bauens wird immer stärker auf den Prüfstand gestellt. Beton als Grundpfeiler der Gebäudestatik ist aufgrund seiner hohen Umweltbelastung sowohl in der Herstellung als auch bei der Entsorgung in Verruf geraten.
Fischbachtal kreativ nimmt sich dieser Aspekte im Rahmen eines Vortrags- und Diskussionsabends an:
Junge Architektinnen und Architekten, organisiert in der Gruppe "architects4future", werden die Probleme und Chancen der Baubranche darlegen und gemeinsam mit euch diskutieren.
"Gemeinsam setzen wir uns für eine lebenswerte Zukunft ein, die aktiv und positiv durch die Baubranche bereichert wird", so ihre Grundausrichtung.
Entlang ihrer "Sieben Grundforderungen an die Aktiven der Baubranche" werden sie die Notwendigkeit und die Chancen einer Neuausrichtung architektonischen Handelns aufzeigen.
Praktisch vertiefen wollen wir unser neues Wissen im zeitnahem Abstand durch eine Exkursion zu Renovierungs- und Bauprojekten im Fischbachtal. Termin und Ort werden spätestens bei diesem Vortragabend bekannt gegeben.
Mehr Informationen:
Die Sieben Grundforderungen an die Aktiven der Baubranche der "architects4future": www.architects4future.de/statement