Tafel 3: Das Fischbachtal - strukturreiche Landschaft zwischen zwei Bergrücken
Wenn viele unterschiedliche Biotoptypen pro Fläche nebeneinander vorkommen, sprechen wir von "Strukturvielfalt". Die Vielfalt entlang des Fischbaches entstand zum einen von Natur aus (Bach, Hänge, Steine, Bäume usw.) und zum anderen durch menschlichen Einfluss (Gräben, Hecken, Obstbäume, Wiesen und Felder mit kleinen Ausmaßen)
Vielfältige Biotoptypen bieten verschiedensten Arten eine Vielzahl an ökologischen Nischen. Auf Grund dieser hohen Strukturvielfalt ist hier auch eine große Artenvielfalt anzutreffen.
Aus Forschungen weiß man, dass mit der hohen Strukturvielfalt meist auch eine höhere Stabilität einhergeht: Schäden von außen (extreme Wetter, Klimaveränderungen, Naturkatastrophen, Luftschadstoffe) können besser abgepuffert werden – ein Totalausfall auf der Fläche kann oft vermieden werden.
Diese Vielfalt an Landschaftselementen ist die Grundlage für eine Vielfalt an Tieren und Pflanzen. Wir Menschen empfinden diese strukturreiche Landschaft als schön oder gar lieblich.
Entstehung der Landschaft
Landschafts- und Siedlungsentwicklung bedingen einander. Vom Standort der Tafel oberhalb von Billings aus lässt sich dies besonders gut aufzeigen.
Der Blick reicht über Niedernhausen hinweg bis weit in die „Reinheimer Bucht“, von der aus die Besiedlung der Höhenzüge des Odenwaldes - so auch des Fischbachtales - begann.
Die Ursprünge des Landschaftsprofils liegen im Erdaltertum, wo vor ca. 320 Millionen Jahren das für unsere Region so bedeutende kristalline Grundgebirge entstand. (vgl. auch Tafel zum Steinbruch). In den nachfolgenden ca. 100 Millionen Jahren bis zum Ende des Erdaltertums lösten sich Festlands- und Meeresphasen ab mit dem Ergebnis, dass das ehemals ca. 2- bis 3000 m hohe Gebirge durch Verwitterungsvorgänge stark abgetragen war.
In der Erdneuzeit begann ein für unsere Region wiederum bedeutsamer Vorgang: Mit der Alpenauffaltung vor ca. 30 Mio. Jahren (Tertiär), ausgelöst durch das Aufeinanderprallen der afrikanischen und der eurasischen Erdplatte (Plattentektonik), sank der Oberrheingraben auf ca. 300 km Länge ein und hob gleichsam als Gegenbewegung die Randschollen nach oben – Vogesen, Pfälzerwald, Schwarzwald und Odenwald erhielten eine neue Ausprägung. In den Rheingraben strömte nach und nach ein Meer ein, das das Mittelmeer mit dem Nordmeer verband.
Aber auch in den Millionen Jahren des Tertiärzeitalters (vor 65 –vor ca. 2,6 Mio. Jahren), in denen bei uns ein tropisches Klima herrschte, tat die Verwitterung ihr Werk und ebnete die aufgefalteten Randgebirge stark ein.
Der Mensch erscheint
Der Mensch trat erst in dem darauf folgenden Zeitalter, dem Quartär, bei uns in Erscheinung. Geprägt von mindestens vier Eiszeiten hat unsere Landschaft in der Zeit von vor 1,5 bis 2 Millionen Jahren ihre entscheidende Gestaltung erhalten; obwohl nie von Eis bedeckt, haben die Gebiete am Rande der großen Eismassen ihre besondere Ausprägung erfahren. Mit dem Schmelzwasser wurden Schutt und Verwitterungsmaterial bis ins Meer transportiert, durch das Abrutschen von Oberflächenmaterial während der Tauphasen, entstanden wieder tief eingeschnittene Täter mit begleitenden Höhenzügen – interessant dabei, dass der Verlauf dieser Täter genau dem ursprünglichen kristallinen Grundgebirge entspricht.
In dieser Zeit wurden auch feine Sand- und Staubpartikel mit dem Westwind eingetragen und lagerten sich an der windabgewandten Seite des Gebirges ab – der fruchtbare Löß der Reinheimer Bucht wurde so zur Grundlage der Erstbesiedlung unseres Raumes.
Besiedlung unserer Landschaft
Es gibt Fundnachweise menschlichen Lebens am nördlichen Rand der Reinheimer Bucht (bei Groß-Umstadt), die bis zur älteren Steinzeit, also vor ca. 150.000 Jahren, zurück reichen. Aber erst mit dem Wandel der Lebensweise vom Jäger und Sammler hin zur erzeugenden Wirtschaft des Ackerbauern in der Jungsteinzeit begann die Besiedlung auch des Fischbachtales.
Die fruchtbaren Böden der Reinheimer Börde zogen Menschen aus allen Teilen Europas an (benannt nach ihren Schmuckgefäßen als Bandkeramiker, Schnurkeramiker, Glockenbecherleute u.a.), so dass nach und nach der Siedlungsdruck größer wurde und die ersten „Aus-Wanderungen“ begannen – im Einklang mit der Natur nicht durch die feuchten und oft unzugänglichen Täler, sondern auf den Höhenzügen. Aus den anfänglichen Trampelpfaden wurden im Lauf von Jahrhunderten befestigte Wege, die wir heute noch im Fischbachtal als „Weinweg“ im Osten bzw. als „Hohe Straße“ westlich/nördlich von Lichtenberg sehen und benutzen können.
Diese beiden Straßen verbanden schon damals die fruchtbaren Siedlungsgebiete der Reinheimer Bucht mit den Lößflächen an der Bergstraße und im Oberrheingraben. Die Hügelgräber entlang dieser Wege und auch die „Heuneburg“, ein keltischer oder alemannischer Ringwall (noch ungeklärt), sind Zeugnisse der Bedeutung dieses Verkehrsweges. Auch die Errichtung der ersten Burg im 13. Jahrhundert an der Stelle des heutigen Lichtenberger Renaissance-Schlosses ist eng verbunden mit der nahegelegenen Hohen Straße.
Wir bestimmen den Reichtum unserer Landschaft selbst
Über Jahrhunderte prägte das bäuerliche Leben die Landschaft dieses Tales. Aus der Naturlandschaft schuf der Mensch nach und nach eine Kulturlandschaft. Durch Rodungen entstanden weitere Dörfer in den ehemals dichten Waldgebieten (Nonrod, Meßbach) und die Anordnung der Bauerhöfe bestimmte die Struktur der Felder.
Die grundlegendsten Veränderungen hat die Landschaft in den letzten 100 Jahren erfahren. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft mit viel Handarbeit wandelte sich immer stärker in die mechanisierte Form, für die größere Schläge notwendig wurden, damit die Maschinen effektiv arbeiten konnten. Die Flurbereinigungen mit Zusammenlegen von Parzellen, mit Bachbegradigungen und anderen der Natur nicht zuträglichen Aktivitäten veränderten weite Teile auch des Fischbachtales in „ausgeräumte“ Landschaften (s. nördlicher Ausgang des Tales).
Erst in den letzten Jahrzehnten haben die Verantwortlichen erkannt und eingesehen, dass eine naturnahe Landschaft mit Hecken, Feldgehölzen und vielen Kleinstrukturen den Erholungswert sehr hebt. Für das Fischbachtal ist der Erhalt und der Schutz dieser Vielfalt von besonderer Bedeutung, liegen wir doch mitten im Ballungsraum Rhein-Main-Neckar und bieten so Rückzugsmöglichkeiten für Kurzurlauber und andere Erholungssuchende.
(Der Text fußt u.a. auf den Ausführungen von Friedrich Sauerwein / Hans H. Weber in ihrem Erläuterungsheft zum „Geographisch-historischen Lehrpfad“ (erhältlich bei der Gemeindeverwaltung Fischbachtal), auf den Erläuterungen in der Geopark-Landwirtschaftsausstellung im Museum Schloss Lichtenberg aus dem Jahr 2005 und auf Ausführungen des Geopark-vor-Ort-Begleiters Günter Glas.)
Das Foto ganz oben ist von Bernd Dörwald. Vielen Dank an beide Fotografen.
Weiterführende Informationen
Hessische Biodiversitätsstrategie (HBS)
Heckenpflege und Lebensraumerhalt: llh.hessen.de/umwelt/biodiversitaet/heckenbroschuere/