Tafel 4:   Der Steinbruch - geologisches Fenster und Lebensraum aus zweiter Hand

Wie der Steinbruhsee entstanden ist, hast du auf der dortigen Info-Tafel lesen können. Mittlerweile ist aus dem ursprünglich sehr nährstoffarmen Gewässer ein See mit Fischbesatz geworden mit von der Gemeinde verpachteten Angelrechten. Dass die Süßwasser­qualle (Craspedacusta sowerbii) als besondere Art diese Umwandlung zu einem Fischgewässer überstanden hat, ist erfreulich. Mit 99,3 % hat diese Qualle den höchsten bei Tieren festgestellten Wassergehalt und - obwohl sie zu den Nesseltieren gehört - ist sie für den Menschen ungefährlich.

Interessanter aber ist der Steinbruch für die Geologie, ist er doch ein „Fenster zur Erdgeschichte“, da anhand seiner Gesteins­schichten die Veränderungen und unter­schiedlichen Entstehungen der festen Erdkruste sichtbar werden. (s. dazu auch Text zur Info-Tafel 3 über die Strukturvielfalt). Dabei wird auch deutlich, dass Vulkanismus in unsrer Region vorkam (Otzberg, Roßberg als noch gut erkennbare Vulkankegel). Günter Glas, der Geopark-vor-Ort-Begleiter mit Arbeitsschwerpunkt Geologie schreibt dazu:

Über schnelles und langsames Abkühlen

Das Urgestein, mit dessen Natur sich auch Goethe befasste, entstand mit der langsamen Abkühlung der Erde aus Magma, dem heißen, flüssigen Material im Erdinneren.
Die Temperatur in der Erde nimmt in der festen Erdkruste ca. um 30°C pro tausend Meter Tiefe zu und erreicht im Kern der Erde ca. 6000°C. Durch diese Termperatur­unterschiede entstehen sogenannte Konvektions­ströme. Heißeres Material hat ein größeres Volumen als kälteres und ist somit leichter. Dadurch werden Auftriebskräfte wirksam, die das heiße Magma nach oben transportieren. An Schwachstellen kann es in die Erdkruste eindringen und riesige Magmakammern bilden. Diese können einen Durchmesser von einigen Kilometern haben.

In den Magmakammern kommt die Gesteins­schmelze zur Ruhe, sie wird nicht mehr „durchgerührt“. Es kommt zu Absetzungs­erscheinungen solange die Schmelze noch nicht erstarrt, also flüssig oder halbflüssig ist mit dem Ergebnis, dass sich schweres Material unten absetzt und leichtes nach oben steigt. Unten finden wir Mineralien mit viel Eisenanteil und oben mit einem hohen Quarzanteil. Das spezifische Gewicht von Eisen mit 7kg pro Liter und das von Quarz mit 2 kg erklärt diese sogenannte gravitative Selektion.

In der nach Millionen Jahren abgekühlten Magma­kammer finden wir oben den Granit und unten den sogenannten Gabbro, der wegen seines hohen Eisen­gehaltes viele Schwarzanteile hat. An manchen Gabbros haftet deshalb sogar ein Magnet.
Das Material in der Mitte der Magma­kammer heißt Diorit, der in unserem Teil des Odenwaldes häufig vorkommt. Die Abkühlung der Magma­kammer tief unter der Erde dauert sehr lange. In geologischen Zeiträumen kann das Millionen Jahre bedeuten. Bei dieser langsamen Abkühlung kristallisiert die Schmelze aus und es entstehen schöne große Kristalle. Würde die Schmelze schneller abkühlen, was nur nahe der Erdober­fläche geschehen kann, würden sich kleinere Kristalle bilden.

Was Pluto mit unserem Steinbruchsee zu tun hat

Während in der Tiefe langsam auskristallisierte Steine Plutonite genannt werden (nach Pluto, dem griechischen Gott der Unterwelt), nennt man Steine, die an oder nahe der Erdober­fläche erstarren Vulkanite.
Das gleiche Material, das die Reihe von Granit, Diorit und Gabbro bildet, hat durch schnellere Abkühlung ein ganz anderes Aussehen. Es ist feinkörnig und man kann oft mit bloßem Auge die Kristalle nicht mehr erkennen:

Basalt kennt jeder, die chemische Zusammen­setzung ist mit der von Gabbro identisch. Nur dass Basalt durch einen Vulkan an die Erdober­fläche gelangte (Basaltsäulen am Otzberg), wo er relativ schnell abkühlte, während Gabbro tief in der Erde ganz langsam erstarrte. Schnelles Abkühlen führt zur Entstehung von winzig kleinen Kristallen beim Basalt, während langsames Abkühlen des gleichen Materials Gabbro mit größeren Kristallen entstehen lässt.

Ein weiteres Beispiel ist der Quarz­porphyr. Chemisch Identisch mit Granit, ist er jedoch z.B. in Dossenheim bei einem Vulkan­ausbruch entstanden. Dieses homogene Material mit seinem leicht rot-violetten Aussehen kann man am Parkplatz am Damm des Polders an der Meßbacher Straße betrachten. Kaum vorzustellen, dass diese Steine chemisch identisch mit dem körnigen Granit sind.

Die Steine am Steinbruch

Die großen Steine am Rand des Sees weisen sehr unter­schiedliche Strukturen auf.
Die Farbe - heller oder dunkler - können wir durch die Absetzungs­prozesse erklären. Aber wieso finden wir hier neben den grobkörnigen Steinen auch feinkörnige? Entweder ist das Magma tief im Erdinneren abgekühlt oder nahe der Erdoberfläche! Hier passt etwas nicht zusammen!

Die Besonderheit - oder keine Regel ohne Ausnahme

Im kristallinen Odenwald gibt es ein Gebiet von ca. 100 km², in dem wir eine Besonderheit haben. Es liegt zwischen Ober-Ramstadt, Groß Bieberau und Winterkasten.
Vermutlich durch Streckung oder Dehnung der Erdkruste ist es zu Rissen und damit zu Schwach­stellen gekommen, in denen, nachdem das ursprüngliche Gestein langsam abgekühlt war, wieder Magma aus dem Erdinneren aufsteigen konnte. Die Spalten oder Gänge waren nur wenige Meter bis max. 100 m breit und 500 bis 1000 m lang. In diesen Gängen ist die Gesteins­schmelze relativ schnell abgekühlt unter Bildung von kleinen Kristallen, neben dem Umgebungs­gestein mit großen Kristallen.

Wenn wir die Felswand am Steilufer des Sees betrachten, so sehen wir, dass es Unterschiede in der Fels­struktur gibt, links zerklüftet, in der Mitte glatt abgespalten und rechts wieder zerklüftet. Das lässt vermuten, dass wir hier unterschiedliches Material haben und so ist es auch. Diese glatte Wand ist Zeuge eines späteren vulkanischen Ausbruchs, mit Bildung von feinkristallinem Material. Auch am Ufer des Sees finden wir grob- und feinkörnige Gesteine in direkter Nachbarschaft.

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